Arbeitgeber schuldet bei verspäteter Lohnzahlung 40 Euro Verzugspauschale

UPDATE:

Das BAG hat mit seinem Urteil vom 25. September 2018 nun leider entschieden, dass der Kläger keinen Anspruch auf die geltend gemachten Pauschalen hat. Zwar findet § 288 Abs. 5 BGB grundsätzlich auch in Fällen Anwendung, in denen sich der Arbeitgeber mit der Zahlung von Arbeitsentgelt in Verzug befindet. Allerdings schließt § 12a Abs. 1 Satz 1 ArbGG als spezielle arbeitsrechtliche Regelung nicht nur einen prozessualen Kostenerstattungsanspruch wegen erstinstanzlich entstandener Beitreibungskosten, sondern auch einen entsprechenden materiell-rechtlichen Kostenerstattungsanspruch und damit auch den Anspruch auf Pauschalen nach § 288 Abs. 5 BGB aus.

Arbeitgeber, die Lohnzahlungen verspätet vornehmen, gehen ein Risiko ein: Denn enthalten sie damit auch den Sozialkassen die geschuldeten Beiträge vor, machen sie sich gemäß § 266a StGB strafbar. Trotz dieser Drohung des Strafgesetzbuches sind verspätete Auszahlungen des Arbeitslohns in der Praxis ein nicht seltenes Problem.
Eine sich auf der Ebene der Landesarbeitsgerichte verfestigende Entscheidungspraxis könnte nun dazu führen, dass sich die Zahlungsmoral der betroffenen Arbeitgeber verbessert: Nach den Urteilen verschiedener Landesarbeitsgerichte steht dem Arbeitnehmer der Anspruch auf die Zahlung einer Verzugspauschale in Höhe von 40 Euro gemäß § 288 Abs. 5 BGB zu, wenn der Arbeitgeber den Arbeitslohn verspätet auszahlt.
(LAG Köln, Urteil v. 22.11.2016, 12 Sa 524/16; LAG Baden-Württemberg, Urteil v. 13.10.2016, 3 Sa 34/16; LAG Niedersachen, Urteil v. 20.04.2017, 5 Sa 1263/16 LAG Berlin-Brandenburg, Urteil v. 22.3.2017 – 15 Sa 1992/16)

Von Rechtsanwalt Torben Diers

Die Ausgangslage:
§ 288 Abs. 5 BGB besagt im Wortlaut: „Der Gläubiger einer Entgeltforderung hat bei Verzug des Schuldners, wenn dieser kein Verbraucher ist, außerdem einen Anspruch auf Zahlung einer Pauschale in Höhe von 40 Euro.“

Der deutsche Gesetzgeber hat diese Vorschrift im Jahr 2014 ins BGB aufgenommen.
Hintergrund dieser Regelung ist die Richtlinie 2011/7/EU der Europäischen Union, welche nach ihrer offiziellen Benennung der „Bekämpfung von Zahlungsverzug im Geschäftsverkehr“ dienen soll.

In den amtlichen Erwägungen zu der Richtlinie heißt es: „Zahlungsverzug stellt einen Vertragsbruch dar, der für die Schuldner in den meisten Mitgliedstaaten durch niedrige oder nicht vorhandene Verzugszinsen und/oder langsame Beitreibungsverfahren finanzielle Vorteile bringt. Ein durchgreifender Wandel hin zu einer Kultur der unverzüglichen Zahlung, (…), ist erforderlich, um diese Entwicklung umzukehren und von der Überschreitung der Zahlungsfristen abzuschrecken. (…) Eine gerechte Entschädigung der Gläubiger für die aufgrund eines Zahlungsverzugs des Schuldners entstandenen Beitreibungskosten ist erforderlich, um von der Überschreitung der Zahlungsfristen abzuschrecken.“

Zur Erreichung dieser Zwecke beschloss der Bundestag die Einführung einer Verzugspauschale, welche nun noch zusätzlich zu den üblichen Verzugszinsen verlangt werden kann. Bei der entsprechenden Regelung in § 288 Abs. 5 BGB ging der deutsche Gesetzgeber jedoch noch über die Forderungen der EU-Richtlinie hinaus: Während letztere eigentlich nur dazu dienen sollte, die Zahlungsmoral im Geschäftsverkehr, d.h. zwischen Unternehmern zu verbessern, sprach der Gesetzgeber ausweislich der Gesetzesbegründung zu § 288 Abs. 5 BGB die Verzugspauschale auch Verbrauchern zu (vgl. BT-Ds. 18/1309, S. 19).

Aufgrund dieser gesetzgeberischen Entscheidung wurden seit Inkrafttreten des § 288 Abs. 5 BGB in Literatur und Rechtsprechung intensive Auseinandersetzungen über die Frage geführt, ob diese Regelung nun auch im Arbeitsrecht angewendet werden müsse.

Denn für die Gegner einer Anwendbarkeit der Regelung auch im Arbeitsrecht sprach nicht nur der ursprüngliche Zweck der EU-Richtlinie dagegen, sondern insbesondere auch eine spezielle Vorschrift des Arbeitsgerichtsgesetzes: Gemäß § 12a ArbGG müssen die Parteien eines arbeitsgerichtlichen Rechtsstreits ihre Kosten in erster Instanz selber tragen, gegenseitige Kostenerstattungsansprüche können nicht erhoben werden. Da die Verzugspauschale rechtlich zu den Rechtsverfolgungskosten zu zählen sei, falle sie auch unter § 12a ArbGG und eine Geltendmachung sei daher ausgeschlossen.

Die Entscheidungen der Landesarbeitsgerichte:
Die zuvor genannten Landesarbeitsgerichte haben in ihren jeweiligen Urteilen nun klargestellt: Die Verzugspauschale gem. § 288 Abs. 5 BGB findet auch im Arbeitsrecht Anwendung. Die Regelung sei eine Vorschrift des Bürgerlichen Gesetzbuches, also des Zivilrechts, wozu auch das Arbeitsrecht gehöre. Der Gesetzgeber habe sich bewusst dafür entschieden, die Verzugspauschale auch Verbrauchern zu gewähren und dabei habe der Gesetzgeber gewusst, dass Arbeitnehmer nach gefestigter Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts auch als Verbraucher anzusehen seien. Der übergeordnete Zweck der EU-Richtlinie, die Schuldner von Entgeltforderungen zur zügigen Begleichung ihrer Schulden anzuhalten, sei auf säumige Arbeitgeber ebenso anwendbar. Aufgrund dieser Zwecksetzung sei die Verzugspauschale auch letztlich nicht als Bestandteil eigener Rechtsverfolgungskosten zu qualifizieren, so dass § 12a ArbGG der Anwendbarkeit des § 288 Abs. 5 BGB auch im Arbeitsrecht nicht entgegenstehe.

Nachdem nun also mehrere Landesarbeitsgerichte diese Rechtsauffassung vertreten, besteht mittlerweile einige Rechtssicherheit bezüglich der Frage der Anwendbarkeit der Verzugspauschale im Arbeitsrecht. Allerdings steht eine Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts bislang noch aus. Es bleibt also abzuwarten, ob die dargestellte Rechtsprechung durch ein höchstrichterliches Urteil letztlich bestätigt werden wird.

WZ-ANWAELTE.DE TIPP

Zahlt der Arbeitgeber das Arbeitsentgelt verspätet aus, so kann sich die Geltendmachung der Verzugspauschale in jedem Fall lohnen: Denn zum einen wird diese bereits fällig, wenn der Arbeitgeber den sich aus einem Tarifvertrag, einer Betriebsvereinbarung oder dem Arbeitsvertrag ergebenden Auszahlungstermin nur geringfügig überschreitet. Zum anderen entsteht der Anspruch auf die 40 Euro nicht nur dann, wenn der Arbeitgeber gar nicht zahlt, sondern auch bereits dann, wenn er nur wenige Cent zu wenig überweist. Und schließlich wird die Verzugspauschale nicht nur einmalig fällig, sondern nach überwiegender Auffassung schuldet der Arbeitgeber die Zahlung der Verzugspauschale bei jeder einzelnen verspätet vorgenommen Lohnzahlung aufs Neue.

An einem Beispiel soll schließlich noch gezeigt werden, dass auch die Höhe der Verzugspauschale eine erhebliche Verbesserung zur alten Rechtslage darstellt: Grundsätzlich und damit auch schon vor Einführung des § 288 Abs. 5 BGB schuldet der Schuldner einer Geldforderung Verzugszinsen, wenn er den Zahlungsverzug zu vertreten hat. Bei einer fälligen Summe in Höhe von 2.000 Euro, welche erst drei Wochen nach dem Zahlungstermin gezahlt wird, betragen die Verzugszinsen gemäß § 288 Abs. 1 BGB insgesamt 4,74 Euro. Mit der nun zusätzlich zu zahlenden Verzugspauschale in Höhe von 40 Euro steht der Gläubiger nun also in den meisten Fällen erheblich besser da.

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