Altersdiskriminierung durch altersabhängige Schichtfreizeittage

Die Parteien stritten in diesem vom BAG im April 2017 entschiedenen Fall darüber, wie viele Schichtfreizeittage, das heißt bezahlte freie Tage als Ausgleich für geleistete Schichtarbeit, der im Jahr 1967 geborene Kläger von seinem Arbeitgeber verlangen konnte.
BAG, Urteil v. 27.4.2017, Az.: 6 AZR 119/16
Von Rechtsanwalt Torben Diers

Der Fall
Ausgangspunkt des Konflikts war eine tarifvertragliche Regelung, nach welcher die Gewährung von Schichtfreizeittagen anhand einer altersabhängigen Staffelung zu erfolgen hatte. Diese Staffelung war wie folgt ausgestaltet:

  • bis zur Vollendung des 30. Lebensjahres 2 Tage
  • bis zur Vollendung des 30. Lebensjahres 2 Tage
  • bis zur Vollendung des 35. Lebensjahres 4 Tage
  • bis zur Vollendung des 40. Lebensjahres 6 Tage
  • bis zur Vollendung des 50. Lebensjahres 8 Tage
  • danach 9 Tage pro Kalenderjahr.

Diese tarifliche Regelung aus dem Jahr 1994 wurde zwar durch einen neuen Tarifvertrag aus dem Jahr 2005 abgeschafft, der Anspruch auf Schichtfreizeittage, der bis zu diesem Zeitpunkt durch die Vollendung des entsprechenden Lebensalters bereits entstanden war, wurde jedoch als Besitzstand für die jeweiligen Mitarbeiter festgeschrieben.

Der zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des neuen Tarifvertrags 37 Jahre alte Kläger hatte danach einen Anspruch auf 6 Schichtfreizeittage. Durch seine Klage vor dem Arbeitsgericht machte der Kläger nun geltend, dass die oben genannte Altersstaffelung diskriminierend sei und dass ihm daher die nach der Staffelung maximal mögliche Anzahl an Schichtfreizeittagen zu gewähren sei.

Die Entscheidung:
Das BAG hat dem Kläger Recht gegeben.

Es führte zur Begründung aus, dass die genannte tarifliche Regelung zu den Schichtfreizeittagen anhand der Vorschriften des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) zu kontrollieren sei. Nach § 7 des AGG dürfen Arbeitnehmer nicht wegen eines in § 1 des AGG aufgezählten Grundes benachteiligt werden. Zu den Gründen aus § 1 AGG zählt auch das Alter.

Zwar können unterschiedliche Behandlungen wegen des Alters gem. § 10 AGG gerechtfertigt sein, wenn sie einen legitimen Zweck verfolgen, was insbesondere bei Maßnahmen in Frage kommt, die dem Gesundheitsschutz älterer Arbeitnehmer oder ihrem gesteigerten Erholungsbedürfnis dienen.

Allerdings hat das BAG nun entschieden, dass der pauschale Hinweis des Arbeitgebers, eine Regelung diene genau diesen Zwecken, nicht genügt. Vielmehr muss der Arbeitgeber im Einzelnen genau darlegen, warum und auf welche Weise eine nach dem Alter differenzierende Regelung dem Schutz der älteren Arbeitnehmer dient.

Bei der oben dargestellten Staffelung hat das BAG dies in Zweifel gezogen: Denn nach Vollendung des 51. Lebensjahres konnten hier keine weiteren Zuwächse an Schichtfreizeittagen mehr erreicht werden. Das BAG führte aus, sofern die Regelung tatsächlich dem Erholungsbedürfnis älterer Arbeitnehmer hätte Rechnung tragen wollen, so hätte eine weiterhin mit dem Lebensalter ansteigende Zahl an Schichtfreizeittagen festgelegt werden müssen.

Für diese Fallkonstellation hat das BAG nun entschieden, dass die gem. § 7 Abs. 2 AGG festzustellende Unwirksamkeit der diskriminierenden Regelung dazu führe, dass eine „Anpassung nach oben“ vorzunehmen sei. Das heißt, die Unwirksamkeit der Schichtfreizeitregelung führe nicht dazu, dass allen Mitarbeitern der Anspruch auf Schichtfreizeittage weggenommen werde, sondern dass den benachteiligten Arbeitnehmern stattdessen die Vorteile zu gewähren seien, welche die maximal begünstigte Vergleichsgruppe erhalte. Nur so könne die Ungleichbehandlung angemessen beseitigt werden.

WZ-ANWAELTE.DE TIPP

Bei tariflichen und betrieblichen Vorschriften, welche nach dem Lebensalter differenzieren, lohnt sich ein genauer Blick auf die konkrete Ausgestaltung der Regelung. Denn seit dem Inkrafttreten des AGG vor gut 11 Jahren sind die Rechtfertigungsanforderungen an Differenzierungen nach dem Lebensalter erheblich gestiegen. Da die Rechtsprechung bei diesen Ungleichbehandlungen nun regelmäßig eine „Anpassung nach oben“ vornimmt, kann sich die Geltendmachung eines Verstoßes gegen das AGG im Einzelfall lohnen, da es dann nichts zu verlieren, sondern nur etwas zu gewinnen gibt.

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