Anrechnung monatlicher Sonderzahlungen auf den Mindestlohn

Von Rechtsanwalt Nikolai Rupay Dahm

Der Fall
Die Klägerin arbeitet in der Cafeteria eines Krankenhauses in Brandenburg. Sie klagt auf Zahlung des Mindestlohns, weil sie lediglich 8,00 ‚Ǩ pro Stunde, statt der gesetzlich vorgeschriebenen 8,50 ‚Ǩ erhält. Sie ist der Ansicht, dass die jährlichen Sonderzahlungen (Urlaubs- und Weihnachtsgeld) hierbei nicht hinzuzurechnen ist. Der Arbeitgeber ist der Ansicht, die Sonderzahlung müsse mit einkalkuliert werden. Dadurch komme die Arbeitnehmerin im Ergebnis auf den Mindestlohn und habe keine offenen Ansprüche. Die Besonderheit des Falles liegt darin, dass mit Zustimmung des Betriebsrats die Sonderzahlungen zu je 1/12 monatlich ausbezahlt wurden. Dadurch stellt sich die Frage, ob es sich immer noch um eine Sonderzahlung handelt, oder einfach um „normales“ Monatsentgelt.

Die Entscheidung
Das Bundesarbeitsgericht (BAG, 25.05.2016 – 5 AZR 135/16) hat entschieden, dass die Sonderzahlungen hier mit einzukalkulieren sind bei der Frage, ob der gesetzliche Mindestlohnanspruch erfüllt wurde oder nicht. Die Arbeitnehmerin hat demnach keine weiteren Ansprüche mehr.

Grundsätzlich gilt folgendes: alles, was nicht die Normalleistung der Arbeitnehmerin vergüten soll, zählt für den Mindestlohn nicht mit. So stellen Nachtarbeits- und Sonntagszuschläge eine „Erschwerniszulage“ dar, die auf den Mindestlohn oben draufzuschlagen sind. Auch Prämien für besondere Leistungen sollen nicht die Normalleistung vergüten, sondern eine darüber hinausgehende Leistung. Sie zählen daher extra.

Ob ein Weihnachtsgeld die Normalleistung vergüten soll, oder etwa die Betriebstreue, wurde bereits viel diskutiert. Die Benennung der Entgeltbestandteile spielt hier keine Rolle, sondern der Zweck der Zahlung. Häufig ist das Weihnachtsgeld mit einer Stichtagsregelung versehen, sodass die Sonderzahlung z.B. nur erhält, wer am 31. November bereits 12 Monate im Unternehmen arbeitet. Weit verbreitet ist ebenfalls eine Rückzahlungsklausel, wonach etwa ein Teil der Sonderzahlung zurückzuzahlen ist, wenn die Mitarbeiterin kurz nach der Zahlung kündigt (Stichtag ist häufig der 31. März). Beides verdeutlicht, dass die Gratifikation nicht eine bestimmte Arbeitsleistung vergüten soll, sondern die Betriebstreue. Sie stellt dann ganz klar keine Gegenleistung im Sinne des Mindeslohnes dar und ist nicht mit einzubeziehen. Daran ändert auch die hiesige Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts nichts.

Auch das Urlaubsgeld soll nicht lediglich eine „normale“ Arbeitsleistung vergüten, sondern den erhöhten Finanzbedarf im Urlaub decken und ebenfalls die Betriebstreue belohnen. Ob dieser Zweck nur deswegen entfällt, weil es monatlich gleichmäßig gezahlt wird, kann in Frage gestellt werden. An der Entscheidung wurde kritisiert, dass im Arbeitsvertrag ausdrücklich stand, dass das Urlaubsgeld zusätzlich gezahlt wird und der Arbeitgeber nur durch die Aufteilung auf 12 Monate das Mindestlohngesetz umgehe.

WZ-ANWAELTE.DE TIPP

 

Die Entscheidung darf nicht dahingehend missverstanden werden, dass Jahressonderzahlungen, also Weihnachts- und Urlaubsgeld, immer in den gesetzlichen Mindestlohn einzukalkulieren wären. Dies gilt nur dann, wenn sich die Sonderzahlungen, wie hier, letztlich nicht mehr vom regelmäßigen Monatsentgelt unterscheiden lassen. Zu beachten ist außerdem bei einer jährlichen oder halbjährlichen Sonderzahlung: nach § 2 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 MiLoG ist der Mindestlohn spätestens mit Ende des folgenden Monats zu zahlen, ansonsten begeht der Arbeitgeber eine bußgeldpflichtige Ordnungswidrigkeit.

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