Rück alles raus! – Herausgabepflichten bei Ausscheiden aus dem Betrieb

LAG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 01.09.2016 – 5 Sa 139/16

Von Fachanwalt für Arbeitsrecht Ivailo Ziegenhagen

Der Fall
Die Arbeitnehmerin (A) war Vertriebsleiterin in einem Import-/Exportunternehmen. Die Arbeitgeberin erfuhr durch eine Kundenmitteilung, dass A ein Parallelunternehmen mit selben Geschäftszweck gegründet hatte. Die Arbeitgeberin stellte weiterhin fest, dass A am 09.04.2015 ein externes Speichermedium, mutmaßlich einen USB-Stick, an ihren Arbeitsplatzrechner angeschlossen und 11.892 Datensätze übertragen hat. Sie kündigte A fristlos. Über diese Kündigung wird noch gestritten.

Im schriftlichen Arbeitsvertrag vom 26.08.2013 ist u. a. folgendes geregelt:

§2 Dauer/Kündigungsfristen/Probezeit/Arbeitsmittel

Beim Ausscheiden des Arbeitnehmers hat der Arbeitnehmer sämtliche betrieblichen Arbeitsmittel und Unterlagen sowie etwa angefertigte Abschriften und Kopien und auch selbst gefertigte Aufzeichnungen an die Arbeitgeber herauszugeben. Ein Anspruch auf Zurückbehaltung für den Arbeitnehmer besteht nicht.

Die Arbeitgeberin beantragte, dass A vollständig die zu ihrem Geschäftsgeheimnis gehörenden Kunden- und Lieferantendaten, Kalkulationen, Konditionen und sonstige betriebliche Kontaktdaten, ohne Rückbehalt von Kopien oder Abschriften jeglicher Art herauszugeben, oder nachweislich rückhaltlos und vollständig zu vernichten. Dazu zählen vor allem ein „Kontaktverzeichnis“ bestehend aus den Namen und Anschriften von Kunden, Lieferanten, Banken und Versicherungen, eine Statuskopie des Warenwirtschaftssystems sowie eine Übersicht der Kontrakte. Zudem begehrte sie Auskunft darüber, wem diese Daten mitgeteilt, übermittelt oder zur Verfügung gestellt wurden. Schließlich sollte A die Erfüllung dieser Verpflichtung an Eides statt zu versichern.

A wendet ein, dass die „vermeintlichen“ Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen allgemein bekannt oder ohne nennenswerten Aufwand im Internet herauszufinden seien oder aber um Daten, die sie aufgrund ihrer langjährigen Tätigkeit in ihrem Gedächtnis habe. Außerdem sei eine Kopie des Warenwirtschaftssystems sowie die Kontaktübersicht wettbewerbsrechtlich nicht relevant und kein Geschäftsgeheimnis.

Die Entscheidung
Die Arbeitgeberin gewann. Die Richter entschieden, dass A sowohl aufgrund des Arbeitsvertrags als auch kraft Gesetzes verpflichtet ist, bei ihrem Ausscheiden sämtliche betrieblichen Arbeitsmittel und Unterlagen sowie etwa angefertigte Abschriften und Kopien und auch selbst gefertigte Aufzeichnungen an die Arbeitgeberin herauszugeben.

Weder die Kunden- noch die Lieferantenlisten der Arbeitgeberin sind irgendwo zu finden und für jedermann sonst offenkundig. Auch das Outlook-Kontaktverzeichnis, die Kontraktübersicht oder die Statuskopie des Warenwirtschaftssystems sind allgemein bekannt. Das gilt auch für die Korrespondenz mit Kunden und Lieferanten. Der Geheimnischarakter dieser Daten wird auch nicht dadurch beeinträchtigt, dass A behauptet, sie könne diese aus dem Gedächtnis abrufen.

Der Antrag ist auch nicht zu unbestimmt. Denn A kann bei gehöriger Sorgfalt unter Anspannung ihrer Geisteskräfte erkennen, was sie zu unterlassen hat.

Die Arbeitgeberin hat auch ein berechtigtes Geheimhaltungsinteresse, weil die Aufdeckung ihrer Kunden und Lieferanten (Bezugsquellen) geeignet ist, ihre Wettbewerbsfähigkeit zu beeinträchtigen. Es liegt in der Natur derartiger Listen oder der Korrespondenz mit Kunden und Lieferanten, dass sie nicht in die Hand eines Wettbewerbers geraten dürfen und das an ihnen daher ein besonderes Geheimhaltungsinteresse besteht. Dementsprechend dürfen an die Manifestation des Geheimhaltungswillens keine überzogenen Anforderungen gestellt werden.

Mit „Ausscheiden“ ist die tatsächliche Beendigung der Tätigkeit gemeint. Es ist unerheblich, ob das Arbeitsverhältnis noch weiterbesteht.

WZ-ANWAELTE.DE TIPP

Arbeitgeber haben gute Erfolgsaussichten, ihr Know-How zu schützen oder deren Verwendung durch ausscheidende Mitarbeiter zu verhindern. Hierfür sind jedoch tatsächliche Kontrollen und saubere vertragliche Regelungen nötig. Ein Herausgabeanspruch besteht auch für die im Zusammenhang mit der arbeitsvertraglichen Tätigkeit selbst angelegten Akten, sonstige Unterlagen und Dateien. Bei Pflichtverletzung kommen auch Schadensersatzansprüche in Betracht. Die Rechte der Arbeitgeber sind meistens vorher im Wege von einstweiligen Verfügungen zu sichern.

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