Betriebsrat: Mitbestimmung bei Kurzarbeit

In Zeiten von Corona ist Kurzarbeit wichtiger geworden, als je zuvor um Kündigungen zu vermeiden, Arbeitsplätze zu erhalten und zugleich Betriebe vor dem Ruin zu schützen. Bevor ein Arbeitgeber betriebsbedingt kündigt, sollte er auf jeden Fall Kurzarbeit als milderes Mittel in Erwägung ziehen. Sonst könnte die Kündigung schon allein deswegen unwirksam sein. Doch welche Gestaltungsmöglichkeiten hat der Betriebsrat bei der Einführung von Kurzarbeit?
Von Fachanwalt für Arbeitsrecht Rupay Dahm, Berlin

Welche Mitbestimmungsrechte hat der Betriebsrat?
Kurzarbeit ist eine Änderung der betriebsüblichen Arbeitszeiten und zwar eine „vorübergehende Verkürzung der betriebsüblichen Arbeitszeit“ nach § 87 Nr. 3 BetrVG. Der Betriebsrat hat die vollen Mitbestimmungsrechte wie bei jeder Änderung der Schichtpläne, Einsatz- oder Dienstpläne nach § 87 Abs. 1 Nr. 2 und 3 BetrVG. Daher muss der Betriebsrat vorher zustimmen. Sonst ist die Änderung der Arbeitszeit, also die Anweisung von Kurzarbeit, unwirksam. Der Betriebsrat sollte nur dann zustimmen, wenn die Maßnahme auch seinen Vorstellungen, das heißt den Wünschen der Belegschaft entspricht oder zumindest einen guten Kompromiss darstellt. Bei der Regelung und Durchführung der Kurzarbeit (welche Abteilung betroffen ist, welche Mitarbeiter*innen, in welchem Umfang und für welche Dauer, wie die verbleibende Arbeit verteilt wird etc.) hat der Betriebsrat weitreichende Gestaltungsmöglichkeiten.

Müssen die einzelnen Mitarbeiter*innen der Kurzarbeit zustimmen?
Kurzarbeit kann nicht von einem Unternehmen einseitig angeordnet werden. Der Arbeitgeber braucht immer die Zustimmung der einzelnen Kolleg*in, des Betriebsrats oder der Tarifparteien (Gewerkschaften). Das bedeutet: Wenn Kurzarbeit in einem Tarifvertrag geregelt ist (und der Arbeitgeber tarifgebunden ist) oder in einer Betriebsvereinbarung (sofern es einen Betriebsrat gibt), dann müssen die einzelnen Arbeitnehmer*innen nicht mehr zustimmen. (Wenn Sie in einem Betrieb ohne Betriebsrat arbeiten, siehe hier).

Was sollte in einer „BV Kurzarbeit“ geregelt werden?

  1. Die Vereinbarung muss klare Bestimmungen über Umfang und Ausmaß der Kurzarbeit enthalten. Auch die „Kurzarbeit Null“ ist möglich, also der komplette Arbeitsausfall. Darüber hinaus sollte eine Ankündigungsfristfür Beginn und Ende der Kurzarbeit enthalten sein. Diese sollte zwischen drei Arbeitstagen und einer Woche liegen. Außerdem muss der betroffene Personenkreis / die betroffenen Abteilungen konkretisiert werden. Denn die Kurzarbeit muss gerecht verteilt werden. Insbesondere die niedrigen Lohngruppen müssten nach Möglichkeit geschützt werden. In der Vereinbarung sollte neben Umfang der Kurzarbeit (Arbeitszeit Null oder andere wöchentliche Arbeitszeit) auch die voraussichtliche Dauer geregelt sein.  Schließlich sollten sich Arbeitgeber und Betriebsrat auf eine regelmäßige gemeinsame Überprüfung einigen, ob Kurzarbeit überhaupt noch erforderlich ist.
  2. Kurzarbeit liegt auch dann vor, wenn die Voraussetzungen für die Zahlung von Kurzarbeitergeld nach dem Sozialgesetzbuch III(SGB III) nicht erfüllt sind. Der Betriebsrat sollte unbedingt darauf achten, dass daher Kurzarbeit nureingeführt wird, wenn das Kurzarbeitergeld durch die Bundesagentur für Arbeit auch tatsächlich gewährt wird.
  3. Der Betriebsrat sollte darauf achten, ob anstelle der Kurzarbeit zum Beispiel Schulungen, Fort- oder Weiterbildungenstattfinden könnten. Viele Schulungen gibt es nun auch online als Webinar. Der Betriebsrat kann seine Zustimmung davon abhängig machen, dass diese Möglichkeiten zuerst ausgeschöpft werden. So kann die Zeit sinnvoll genutzt werden.
  4. In vielen Betrieben wird das Kurzarbeitergeld zusätzlich aufgestockt.

 

Beispiel: Die Arbeitszeit wird auf null reduziert (Kurzarbeit Null). Die Arbeitnehmer*innen erhalten 60%/67% des Nettolohnes als Kurzarbeitergeld. Das ist besser als gar nichts. Es bedeutet trotzdem einen großen Einkommensverlust. Deswegen vereinbaren Gewerkschaften oder Betriebsrat mit dem Arbeitgeber, dass er das Kurzabeitergeld auf 90% aufstockt. Das bedeutet: der Arbeitgeber zahlt 30%/23%, die Arbeitsagentur 60%/ 67%, die Mitarbeiter*innen arbeiten 0% und haben eine Einkommenseinbuße von 10%.

Ein solche Zusatzzahlung ist vor allem bei niedrigen Einkommen wichtig. Mitarbeiter*innen, die ohnehin schon wenig verdienen, haben selten große Ersparnisse, um den Verlust von 40% ihres Einkommens auszugleichen. Hier ist der Betriebsrat gefragt. Da auch die Unternehmen zum Teil schwierige Zeiten durchleben und das Ende der Corona-Maßnahmen nicht absehbar ist, wäre auch eine befristete Lösung mit Stufen denkbar, zum Beispiel so:

In dem ersten Monat der Kurzarbeit stockt der Arbeitgeber auf 100% auf, im zweiten Monat auf 85%, im dritten Monat noch auf 70%, danach nicht mehr.

  1. Wenn üblicherweise Mehrarbeits- und Überstundenvergütung gezahlt werden, sollte der Betriebsrat fordern, dass der Verlust dieser Entgeltbestandteile ausgeglichen wird. Regelungen zur Berechnung z.B. des Urlaubsentgeltes können sinnvoll sein, z.B. in dem der Durchschnitt aus der Zeit vor der Kurzarbeit zugrundegelegt wird.
  2. In der Betriebsvereinbarung sollten auch dieInformationsrechte und Beteiligungsrechte des Betriebsratesklar geregelt sein. Dazu zählen insbesondere ein Teilnahmerecht des Betriebsrats an Gesprächen mit der Bundesagentur für Arbeit und die regelmäßige Unterrichtung des Betriebsrats über die Auftragslage und die wirtschaftliche Situation des Unternehmens.

Kann der Betriebsrat von sich aus eine BV Kurzarbeit verlangen?
Ja, der BR hat nach § 87 Nr. 3 BetrVG ein Initiativrecht und eine Betriebsvereinbarung „Kurzarbeit“ initiieren, einen Entwurf vorlegen und, wenn die Verhandlungen darüber aus seiner Sicht scheitern, die Einigungsstelle anrufen. Er kann allerdings nicht den Arbeitgeber zwingen, Kurzarbeit auch einzuführen. Erst, wenn der Arbeitgeber sich für die Kurzarbeit entscheidet, würden die Regelungen der Betriebsvereinbarung greifen.

Wann bekomme ich Kurzarbeitergeld? Wie berechnet sich das? Wer muss das beantragen?
Für diese wichtigen Fragen lesen Sie bitte diesen Artikel.

Welche Mitbestimmungsrechte hat der Betriebsrat beim Home-Office?
Für die Gestaltungsmöglichkeiten des Betriebsrats bei der Einführung oder Anordnung des Home-Office, lesen Sie diesen Artikel.

Was tun bei Schwierigkeiten?
Ordnet der Arbeitgeber Kurzarbeit ohne Zustimmung des Betriebsrats an, verstößt er gegen die Mitbestimmungsrechte nach § 87 BetrVG. Das könnte sogar ein „grober Verstoß“ nach § 23 Abs. 3 BetrVG darstellen. Dagegen sollten Sie als Betriebsrat gerichtlich vorgehen. Hierzu beraten wir – die Kanzlei Ziegenhagen Rechtsanwälte, Berlin – Sie gerne. Wenn der Arbeitgeber auf die Forderungen des Betriebsrats hinsichtlich einer Betriebsvereinbarung nicht eingeht, sollten Sie sich anwaltlich beraten lassen und z.B. die Einigungsstelle anrufen. Gern stehen wir Ihnen bei dem Entwurf und den Verhandlungen einer Betriebsvereinbarung Kurzarbeit zur Seite.

Sollten Sie Probleme mit Ihrem Arbeitgeber bei der Anordnung von Kurzarbeit haben, melden Sie sich jederzeit bei uns in der Kanzlei Ziegenhagen Rechtsanwälte – Fachanwälte für Arbeitsrecht in Berlin-Mitte:

Ziegenhagen Rechtsanwälte
Fachanwälte für Arbeitsrecht
Friedrichstraße 185/186
10117 Berlin

Tel.: 030 / 288 78 – 600
Fax: 030 / 288 78 – 601

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