Befristet Angestellte sind rechtlich fast schutzlos

Gründe für eine Abschaffung der sachgrundlosen Befristung

Monika ist seit mehreren Jahren befristet beschäftigt – zunächst ohne Sachgrund, dann mit. Die Arbeit gefällt ihr und sie hofft, dass der Vertrag wieder verlängert wird. Sie hat Angst, sonst keine neue Stelle zu finden, schließlich hat sie zwei Kinder zu ernähren. Problem ist, dass sie häufig Überstunden leisten muss und diese nicht bezahlt bekommt. Auch wenn sie krank war oder im Urlaub, erhielt sie nicht die korrekte Lohnfortzahlung. Nun geht sie zu einer Arbeitsrechtanwältin und fragt, was sie dagegen tun kann.

Von Rechtsanwalt Nikolai Rupay Dahm

Das Problem bei dem Fall ist: rechtlich kann man da einiges tun, sowohl gegen die unbezahlten Überstunden als auch für die korrekte Lohnfortzahlung. In der Praxis stellt sich jedoch die Frage, ob der Arbeitgeber ihren Arbeitsvertrag dann noch verlängern wird, wenn sie ihre Rechte einfordert. Wird er ihr wirklich einen neuen Vertrag anbieten, nachdem sie ihre Überstundenvergütung eingeklagt hat? Wohl kaum. Ist Monika wirklich an ihrem Job gelegen, kann man ihr nicht wirklich dazu raten, vor Gericht zu ziehen.

Rachemaßnahmen fast schutzlos ausgesetzt
Eine wichtiges Schutzrecht für Arbeitnehmer/innen ist das Maßregelungsverbot aus § 612a BGB: Der Arbeitgeber darf eine Arbeitnehmer/in nicht benachteiligen, weil sie in zulässiger Weise ihre Rechte ausübt.

Wird Monika auf unangenehme Weise versetzt, abgemahnt oder gekündigt, nachdem sie die Überstundenbezahlung gefordert hat, kann sie dagegen vorgehen, notfalls vor Gericht. Gegen die Nichtverlängerung ist das hingegen fast unmöglich: sie müsste beweisen, dass sie nur deswegen keinen neuen Vertrag bekam, weil sie zuvor ihre Rechte eingeklagt hat. Das ist nur sehr schwer möglich. Und selbst dann könnte sie immer noch keinen neuen Vertrag verlangen, sondern lediglich Geldersatz, wie das Bundesarbeitsgericht bedauerlicherweise entschieden hat (BAG, Urt. v. 21. 9. 2011 ‚àí 7 AZR 150/10).

Im Klartext bedeutet das: wer befristet angestellt ist, kann seine Rechte praktisch nicht geltend machen, da er/sie befürchten muss, keinen neuen Vertrag zu bekommen. Sogar bei Schwangerschaft, wo Kündigungen fast unmöglich sind, endet ein befristeter Vertrag sang- und klanglos. Rechte, die man nicht durchsetzen kann sind wertlos. Eine Befristung bedeutet daher nicht nur, dass das Arbeitsverhältnis erst einmal nur vorübergehend ist. Es bedeutet auch, dass die Arbeitnehmerin in der Praxis kaum rechtlichen Arbeitnehmerschutz genießen kann, wenn ihr am Arbeitsplatz gelegen ist. Soll sie wirklich Bildungsurlaub beantragen, wenn sie weiß, dass der Chef das nicht will? Soll sie wirklich gewerkschaftlich aktiv werden oder für den Betriebsrat kandidieren?

Befristungen werden immer mehr zum „Normalfall“
Inzwischen sind 45 % der Neueinstellungen befristet. Heute sind eine Million mehr Arbeitsverträge befristet als noch vor 20 Jahren. Besonders häufig sind 25- bis 34-Jährige von Befristung betroffen: waren 1996 noch 9,6 % von ihnen befristet beschäftigt, sind es heute bereits über 18 % (2016: 18,1%). Wer nur befristet angestellt ist, hat kaum Chancen für einen Kredit, sei es für das Wohneigentum oder ein Auto. Schon eine Mietwohnung zu bekommen kann mit befristetem Arbeitsvertrag sehr schwierig werden. Gerade für junge Menschen, die eine Familie gründen wollen kann das eine harte Hürde sein – und gerade sie sind häufig nur befristet angestellt.

Neuregelung im Koalitionsvertrag der GroKo
Die große Koalition hat längere Zeit darüber verhandelt, ob sachgrundlose Befristungen abgeschafft werden. Dies war eine Forderung der SPD im Wahlkampf und in den Koalitionsverhandlungen. Aber auch die Arbeitnehmerschaft der CDU (CDA) hatte die Abschaffung gefordert, ebenso wie die Partei „Die Linke“.

Die Abschaffung der sachgrundlosen Befristung ist mit dem Koalitionsvertrag zunächst vom Tisch. Allerdings soll eine sachgrundlose Befristung nur noch für maximal 18 statt bisher für 24 Monate zulässig sein. Zudem soll es eine Beschränkung nach Mitarbeiterzahl geben: Arbeitgeber mit mehr als 75 Beschäftigten sollen nur noch höchstens 2,5 Prozent der Belegschaft sachgrundlos befristen dürfen. Eine solche Begrenzung wäre neu im Teil- und Befristungsgesetz und sicherlich ein kleiner Fortschritt – wenn der Koalitionsvertrag denn so auch umgesetzt wird.

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